Reisen mit Kleinkindern

Von Erika Därr, aus dem Trotter 28, 1981

Ein weiteres Fundstück aus unserem Archiv, heute (fast) genauso aktuell wie 1981 – auch wenn die medizinische Versorgung in vielen Teilen der Welt deutlich besser geworden ist als 1981. Auch die Kommunikation mit Deutschland ist einfacher geworden, das Internet und die Erfindung des Mobilfunks hat die Welt doch nachhaltig verändert.

Anmerkung der Redaktion

Zur Vorgeschichte

Wir fuhren von Mitte Oktober 78 bis Mitte Januar 79 mit unserer damals 1-jährigen Tochter Astrid auf den abgelegensten Strecken durch Ägypten, Sudan und Kenia. Viele werden sich jetzt vielleicht fragen, ob ich niemanden gehabt hätte, der sie für diesen Zeitraum versorgen würde. Ich war dazu nicht egoistisch genug. Ich wollte mich auch bei bester Unterbringung nicht so lange von meinem Kind trennen. Außerdem bin ich der Meinung, daß Kinder in diesem Alter besonders auf die Eltern angewiesen sind und bei diesen bleiben wollen, ganz gleich in welchem Winkel der Erde. Ganz gewiss würde sich das Kind in diesem langen Zeitraum von den Eltern entfremden.

Allerdings bin ich aber doch so egoistisch, daß ich keine Lust hatte, mit dem Kind alleine zu Hause zu bleiben, während mein Mann sich Afrika ansieht. Da wir nicht nur diese Reise vorhatten, sondern jedes Jahr eine größere Tour planen, stellt sich uns immer wieder die Frage, wohin mit dem Kind – zu Hause bleiben oder mitnehmen?

Nach Abwägung aller Probleme beschlossen wir, einen Versuch zu starten. Es stand für uns immer fest, daß ich mit Astrid sofort vom nächstbesten Flughafen heimfliegen werde, wenn sie ernstlich krank geworden wäre – koste es was es wolle

Vor diese Situation waren wir glücklicherweise niemals gestellt und auch auf den abgelegensten Stellen war Astrid bester Laune. Sie hat die drei Monate wohlbehalten überstanden und wir würden sie jederzeit wieder mit auf Reisen nehmen.

Grundsätzlich möchte Ich aber allen, die ähnliches planen, vor allem den Müttern, folgendes zu bedenken geben:

2.-4./1 Erfahrung mit Fernreisen

Auf solchen Reisen kommen genug Belastungsproben auf Sie zu, z. B. Ärger mit Behörden, mangelhafte Versorgung, Fahrzeugpannen, schlechte Strecken. Ohne Erfahrung gelingt es Ihnen selten, die wichtigsten Probleme auf einer Afrikareise sofort zu meistern, sowohl in Bezug auf die Vorbereitung – welche Ausrüstung ist notwendig? – Was lasse ich zu Hause? – als auch mit Behörden, Strecken und persönlichen Auseinandersetzungen. Man überschätzt sich leicht und die wenigsten wissen, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen und wie sie damit fertig werden. All diese unvorhersehbaren Faktoren führen zu einer großen Nervenbelastung, die selbst unter Erwachsenen schon zum Bruch von langjährigen Freundschaften geführt hat. Stellen Sie sich jetzt vor, daß Sie dann noch die Probleme eines Kindes mittragen müssen, für das Sie verantwortlich sind. Planen Sie   deshalb eine Reise mit Kind nur mit vorheriger Erfahrung im Fernreisen.

2.-4./2 Nervenbelastung

Einem Baby oder Kleinkind geht es nicht darum, etwas zu erleben, sondern in erster Linie darum, bei den Eltem zu sein. Das heißt, daß sich dieses kaum selbst beschäftigt. sondern daß Sie für das Wohlbefinden zu sorgen haben. Also während der ganzen Fahrt mlt dem Kind spielen und Späße machen, Essen und Trinken jederzeit griffbereit haben und auch die Windeln gelegentlich während der Fahrt wechseln. Wenn Sie anhalten, ist der Partner meist mit der Instandsetzung des Autos beschäftigt oder will sich erholen. Eine Ruhepause hätten Sie als Mutter auch gerne, aber das Kind nimmt keine Rücksicht darauf. Dieses dauernde Gefordertwerden durch das Kind, nie eine Minute zum Ausspannen zu haben, nervt am meisten. Wir haben nie festgestellt, daß die Reise eine Belastung für das Kind dargestellt hätte, im Gegenteil – da beide Eltern Tag und Nacht für es da sind, ist es

ausgeglichener als zu Hause. Allerdings ist das Kind durch die dauernd wechselnde Umgebung viel stärker auf die Eltern fixiert und das Auto die einzige Heimat. Diese ständige Konzentration auf das Kind schafft natürlich auch Partnerschaftsprobleme. Ein quengeliges Kind und eine entnervte Mutter kann manche Männer zur Weißglut treiben. Es wird selbst dem geduldigsten Mann gelegentlich der Ausruf entfahren: „Hätte ich euch doch zu Hause gelassen.“ Damit müssen Sie moralisch fertig werden.

Diese Belastungsprobe wird natürlich noch größer, wenn das Kind krank wird.

2.-4./3 Eigene Wünsche des Kindes und Zeltplanung

Sie können von keinem Kind erwarten, daß es Spaß daran hat, … aus dem Fenster zu schauen und daß es Ihre Vorliebe für Landschaften und fremde Menschen teilt. Es ist ihm gleich, ob es nun auf dem Mond oder in Deutschland ist, Hauptsache es ist abwechslungsreich. Babys und Kleinkinder haben zum Glück in dieser Beziehung nur wenig eigene Wünsche. Diesen können Sie mit Guck-Guck, Hoppe-Reiter und den blödesten Späßchen die Zeit vertreiben und außerdem schlafen die Kleinen im Auto noch ziemlich viel.

Je größer die Kinder werden, desto ausgeprägter werden die eigenen Wünsche und das Bewegungsbedürfnis. Deshalb bleibt einem nichts anderes übrig als viele Pausen zu machen, in denen die Kinder rennen, sandspielen und auf Entdeckungsreise gehen können. Man braucht Zeit, um den Tagesablauf auf das Kind ab­ zustimmen. Es ist beim besten Willen unmöglich, von 8 h morgens bis nachmittags um 5 h durchzufahren – das können Sie selbst beim autoritärsten Erziehungsstil nicht durchführen. Geben Sie dem Kind Gelegenheit sich auszutoben und wenn es nur alle zwei Stunden 15 Minuten sind. Selbst beim kleinsten Kind richtet sich der Tagesablauf nach dessen und nicht nach Ihren Wünschen, da Ihr Kind nicht auf Kommando Hunger oder die Hosen voll hat.

2.-4./4 Gesundheit + Medizinische Vorsorge

Sollte Ihr Kind ernsthaft krank werden, so müssen Sie sich darauf einstellen sofort zum nächsten Ort mit Flughafen zufahren und heimzufliegen, auch wenn es mit erheblichen Kosten verbunden ist. Die Krankenversorgung in Afrika ist dermaßen schlecht, daß Sie nur in manchen Hauptstädten und Missionskrankenhäusern mit guter ärztlicher Behandlung rechnen können. Das Risiko, durch eine Krankheit einen Schaden fürs Leben davonzutragen, oder innerhalb von zwei bis drei Tagen bei starkem Durchfall regelrecht auszutrocknen ist bei Babys und Kleinkindern wesentlich größer als bei Schulkindern oder Erwachsenen, auch die Folgen eines Schlangenbisses oder Skorpionstiches sind für ein Kind gefährlicher als für einen Erwachsenen.

Eine Möglichkeit die Kosten für Heimtransport und Behandlung gering zu halten ist der Flugrettungsdienst. Diese Organisation ist dem Deutschen Roten Kreuz angeschlossen (Voraussetzung Mitgliedschaft+ DM 40,- Familien-Beitrag für die Flugrettung). Oder Sie schließen sich dem Deutschen Flugrettungsdienst in Stuttgart an: Die Leistungen sind etwa dieselben: Kostenloser Rücktransport von jedem beliebigen Ort der Erde mit Flugplatz und ärztliche Betreuung. Voraussetzung ist eine ärztliche Bescheinigung, daß ein Heimtransport für den Patienten wichtig ist zur Gesundung und eine ausreichende ärztliche Versorgung im Reiseland nicht gegeben ist. Allerdings hat diese Voraussetzung in Afrika natürlich einen Haken. Bis Sie zu einem Arzt kommen, der Ihnen diese Bestätigung ausstellt, ist vielleicht schon wertvolle Zeil vergangen und oft gibt es außerhalb der Hauptstädte keinerlei Funk- oder Telefonverbindung nach Deutschland. So sind Sie wo möglich schneller an einem Flughafen mit Transportmöglichkeit nach Hause als bei einem Arzt, der Ihnen die Bescheinigung ausstellt oder bei einer Stelle, die Ihnen Verbindung nach Deutschland herstellt.

Sie sehen, daß so natürlich Immer ein gewisses Risiko bleibt, das Sie nicht vernachlässigen können.

Jeder Reise nach Afrika sollte eine gründliche ärztliche Untersuchung vorausgehen. Nur wenn Ihr Kind absolut gesund ist und auch keine Bedenken gegen Impfungen bestehen, sollten Sie es mit auf Reisen nehmen.

Ihr Kinderarzt wird sicher eine ganze Menge gegen eine solche Reise haben. Dies dürfen Sie ihm natürlich nicht verübeln, vom ärztlichen Standpunkt aus kann man auch nicht unbedingt dafür sein: Aber man kann das Risiko so gering wie möglich halten. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder der Kinderklinik, Impfanstalt, Tropen­Institut etc. beraten, welche Impfungen Ihr Kind bekommen soll und welche Medikamente Sie mitnehmen sollen.

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