Kundfahrt durch Süd-, Mittel- und Nord-Amerika [Historischer Reisebericht]
Kundfahrt durch Süd-, Mittel- und Nord-Amerika
Auszüge aus meinen Tagebuchaufzeichnungen
Text und Bilder: Siegfried Oesterle, Reisezeit: 20.10.1964 bis 29.10.1966
Mögen diese Erlebnisse, die heute lange zurück liegen, meinen Nachfahren einen Eindruck vermitteln, wie meine Freunde Ernst Lober und Rüdiger Mayer und ich die bereisten Länder der früher sogenannten Neuen Welt erlebten. Erinnerungen an meine Freunde und Reisekameraden. Wenn auch die Jahre entschwinden, bleibt die Erinnerung doch.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben von Siegfried ein sehr umfangreiches Tagebuch bekommen, das wir aus Platzgründen nur sehr gekürzt und in Auszügen veröffentlichen können. Nachfolgend nun ein kleiner Ausschnitt seiner Reise, welche Siegfried und seine beiden Freunde durch die Länder Südamerikas führte.
Wie es begann
Mit dieser Anzeige in den Stuttgarter Nachrichten vom 4. März 1964 fing meine Teilnahme am Projekt »Kundfahrt durch Süd-, Mittel- und Nord-Amerika« an:
»Dritter Mann gesuchtfür Campingfahrt durch Süd- und Nordamerika, Start Okt. 1964. Dauer ca. 1 Jahr. Zuschriften unter R 7061 an die Stuttgarter Nachrichten.«
An der Anzeige interessierte mich nur, wie diese Leute eine solche Reise organisieren und finanzieren. Ich wollte nicht dabei sein. Aber nach zwei Treffen mit Rüdiger und Ernst meinten beide, dass ich der richtige dritte Mann sei. Ich konzentrierte mich ab März 1964 nur noch auf die Vorbereitung der Reise und der Beschaffung des Fahrzeugs. Bereut habe ich das nie.
Was uns bewegte
Nicht jugendlicher Leichtsinn und Abenteuerlust veranlassten uns zu unserem Unternehmen. Wir wollten eine ferne, fremde Welt sehen, kennen und verstehen lernen. Nach 775 Tagen des Reisens und Erkundens endete meine Reise wieder in meiner Heimat bei den Eltern in Stuttgart-Untertürkheim. In diesem Tagebuch habe ich während der Kundfahrt durch den amerikanischen Kontinent von Süd nach Nord jeden Tag notiert, was wir – ich beim Start im Alter von 26 Jahren – in den für uns damals fremden Ländern erlebt hatten. Unsere Kundfahrt hat mich reicher gemacht an Wissen und Erfahrung. Sie bildete uns, weitete meinen Blick und Verständnis für das Leben in anderen Ländern und deren Kulturen.
Ein schmerzliches Ereignis überschattete unsere Kundfahrt durch den amerikanischen Kontinent. Zu Dritt sind wir ausgezogen. Nur zu Zweit kehrten wir wieder heim. Unser Freund Rüdiger verunglückte am 12. Oktober 1965 tödlich in den weißen Kordilleren von Peru. Am gleichen Tag, an welchem Christoph Kolumbus 1492 die neue Welt entdeckte.
Reisestrecke
Von Stuttgart über Genua nach Buenos Aires/Argentinien mit dem Schiff »Cabo San Roque« und mit verladenem VW-Bulli, Tachostand 11.800 Kilometer. Von Buenos Aires mit dem VW-Bulli bis Ecuador, dort Verkauf mit 36.000 Kilometern. Von Ecuador bis New York/USA mit verschiedenen Verkehrsmitteln, 32.000 Kilometer. Von New York per Flugzeug über Island nach Luxemburg, abgeholt von einem Freund mit dem Auto nach Stuttgart, 6.900 Kilometer. Gesamte Reisestrecke 86.700 Kilometer.
Unser Fahrzeug
VW-Bus (Bulli), Jahrgang 1960. Gebraucht gekauft für 900 Deutsche Mark, zum Campingfahrzeug mit drei engen Schlafplätzen umgebaut. Wir hatten das Zoll-Kennzeichen 326 Z – 2379 besorgt, weil wir den VW im Ausland verkaufen wollten. Das gelang uns am 7. November 1965 in Ecuador für einen Erlös von 560 US-Dollar.
Dienstag, 20.Oktober 1964, erster Reisetag
Nach langen, Nerven zehrender Vorbereitungen starteten wir heute zu unserer Kundfahrt durch Süd- und Nordamerika. An der Grenze bei Füssen staunten die Zoll-Beamten nicht schlecht über unsere Reisepläne. Vor Reutte, auf österreichischem Staatsgebiet, parkten wir auf einem Waldwiesenstück und verbrachten unsere erste Nacht im umgebauten VW-Bus. 400 Kilogramm Übergewicht zusammen mit unseren drei rund je 70 Kilogramm wiegenden Körpern schlauchten den 30 PS-Motor sehr. Nur noch im zweiten Gang schlichen wir Hügel und Berge hinauf. Geschuldet war das nur dem vielen Brot in Dosen, welches uns gespendet wurde.
Die Aufschrift »Stuttgart – La Plata – Alaska« setzte ich als Motto unserer Kundfahrt mit schwarzem Klebeband auf das Dach über der Frontscheibe des VWs. Die österreichischen Zöllner wünschten uns gute Fahrt, die schweizerischen Kollegen fragten, mit einem Blick hinauf zu unseren Leichtmetallkisten, ob wir Sprengstoff bei uns hätten. Bei Kurvenfahrten streiften die Reifen am Bodenblech unter der Fahrerkabinen-Sitzbank, ebenso bei unebenen Straßen.
Weiter über Chiavenna in Richtung Comer See in Italien. Das Wetter klarte auf und rechts der Straße wurden die schneebedeckten Gipfel des Silvretta-Massivs sichtbar. Unterwegs viel Schweizer Militär. Mittagsrast neben der Straße, Kochen aus der Dose, Spaghetti und Speck dazu, den Rotwein im Kocher angewärmt. In Casaccia Übergang von der Schweiz nach Italien. Längerer Aufenthalt bei den italienischen Grenzbeamten, die nach dem Inhalt der Alu-Kisten auf dem Dach fragten. Wir wiederum fragten uns, ob deutschsprachige Terroristen in Südtirol noch Bomben warfen.
Überfahrt mit »Cabo San Roque« von Genua nach Buenos Aires
Nach der Weiterfahrt von Chiavenna oberhalb des Comer Sees erreichten wir die Po-Ebene. Viel Hupen, Überholen, Blinken und dann schnelles Einscheren kennzeichneten den Verkehr, besonders in Mailand. Nur zwei Zelte standen auf dem wenig ansprechenden Campingplatz. Am Abend besuchten uns die beiden Motorrad-Fahrer, die auf dem Weg nach Australien waren.
Oh je, Regen die ganze Nacht. Alles war nass außerhalb des Wagens. An der hinteren Auto-Klappe rinnt Wasser in die dort eingebaute »Küche«. Auch der Gas-Kocher funktioniert nicht mehr richtig. Wir schlichen zeitweise im ersten Gang die Straße über den Apennin hinauf. Alte, holprige, mit Straßenbahnschienen durchfurchte Straßen führten uns nach Genua. Morgen ist Sonntag und wir hatten nicht mal genug Wasser, um uns waschen zu können. Zudem blies der Wind das Feuer unseres Benzin-Kochers unter dem Teetopf aus. Es dauerte lange, bis wir essen konnten.
Ankunft in Genua und Verschiffung
Auf der Küstenstraße entlang rollten wir weiter Richtung dem Hafen zu. Zwei Wohnwagen-Anhänger mit Aluminium-Außenhaut versehen, standen auf dem Campinglatz, davor zwei kleine Pick-ups. Adressen der Besitzer an den Caravans mit der Bezeichnung »Round the world 1963/64«. Von den Besitzern war nichts zu sehen. Neben uns parkte ein Mercedes-Kleinlastwagen-Kombi. Der »Eigenheim«-Besitzer scheint ein weitgereister Mann zu sein, er erzählte von seinen Reisen nach Tahiti, Kuba, Venezuela, USA, Kanarische Inseln, Island und von Vielem mehr. Ich wusste nicht, ob alle diese Erzählungen glaubhaft waren.
Am Vormittag suchten wir den Schiffsagenten auf. Die Verständigung gelang nur auf Englisch. Wir sollten, so viel kapierten wir, am Abfahrtstag samt Auto und Gepäck an der Stazione Marittima sein, dem Abfahrtspier des Schiffes. Wir bummelten durch schmale Gässchen. Bäckereien, Fleischereien, Obst- und Gemüse-Läden und viele andere Arten von Geschäftslokalen boten ihre Waren dort an, oft klein und schmal, dass gerade ein Ladentisch, ein Regal und zwei Kunden stehen konnten. Glücksspiele auf der Straße, eine Menschenmenge um einen Mann mit Spielkarten auf einem kleinen Tisch. Schwarzhändler boten ausländische Zigaretten, Radios, Schuhe an. Frauen standen herum und warteten auf Freier, wie überall auf der Welt. Ein Bettler saß singend auf dem Boden.
Langwierige Verladung – endlich auf dem Schiff
Nachmittags packten wir unsere Habseligkeiten in Koffer, Taschen, Rucksack, Leichtmetall-Kisten sowie in die Truhen des VWs ein. Am nächsten Tag sollten wir endlich aufs Schiff kommen. Wir hörten, dass das Auto sauber sein musste, weshalb wir es vom Dach bis zu den Rädern abwuschen. Um 9 Uhr fuhren wir mit unserem hoch beladenen VW zur Stazione Marittima. Das spanische Schiff »Cabo San Roque« lag schon einen Tag früher am Pier als angekündigt. Zuerst zum Expresso Bagaglio, dem Verladebüro. Dann ein Stockwerk mit dem Auto höher hinaufgefahren, aber mit dem Umweg über die verkehrsreichen Hafenstraßen. Dort Gepäck und Kisten ausladen. Zollfreie Benzincoupons am Zollschalter zurückgegeben. Wieder die Straßen nach unten zum Pier gefahren. Der VW musste an einem vorbestimmten Platz geparkt werden, von wo aus er ins Schiff eingeladen werden sollte. Zu Fuß hinauf zur Zollhalle, wo die Gepäckträger einstweilen unsere Gepäckstücke auf zwei Wagen geladen und hier abgeladen hatten. Um 14 Uhr wieder zum Zoll. Langes Warten bei der Passkontrolle. Fünf bis sechs Mal hakten diverse Beamte unsere Namen auf diversen Listen ab. Der Gepäckträger brachte das Gepäck in unsere Kabine.
Abfahrt – auf dem Mittelmeer
Stationen: Barcelona, Mallorca, Cádiz und Teneriffa.
Seit 14 Uhr liegt das Schiff im spanischen Barcelona vor Anker. Nach dem Mittagessen verließen wir mit unserer »Dolmetscherin«, die wir bei der Passkontrolle kennengelernt hatten, das Schiff und besuchten das im Hafen liegende, Rekonstruierte Schiff »Santa Maria« des Cristóbal Columbus. Edda, unsere »Dolmetscherin«, reiste nach Santos in Brasilien. Vom Hafen erreichten wir gleich die belebte Innenstadt. Eine breite, Baum bestanden Fußgänger-Avenue zieht sich ins Zentrum der Mittelmeer-Stadt. Viele Kioske mit Büchern, Blumenstände, Schuhputzer, Lotterielos-Verkäufer säumen diesen breiten Boulevard La Rambla. Auffallend viele gelb-schwarz lackierte Taxis beförderten Fahrgäste. Die Passanten wirkten gepflegt gekleidet, die Mädchen und Frauen gutaussehend mit modischer Kleidung.
Heute früh legte das Schiff in Palma auf Mallorca an. Schöne Hotelpaläste am Ufer, dahinter ansteigende Bergwelt. Nur kurz legte die Cabo San Roque an, so dass wir keine Gelegenheit hatten, an Land zu gehen. Am Abend spielte die aus der Schiffsbesatzung gebildete Kapelle zum Tanz. Im Tanzsalon drängten sich viele Menschen.
Heute um die Mittagszeit ankerte das Schiff im Hafen von Cádiz/Spanien. Hier spazierten wir von der Anlegestelle in die Hafenstadt Cádiz, fast 3.000 Jahre alt, gegründet von den Römern. In den alten Stadtvierteln entdeckten wir zwei- bis dreistöckige Gebäude, vielfach weiß gestrichen, zur Straßenseite mit kleinen Balkonen und grün gestrichenen Holzrollladen. Manchmal auch mit Blumenkästen vor den Fenstern.
Das Schiff erreichte die Insel Tenerife (Teneriffa) auf den Kanarischen Inseln. In Santa Cruz de Tenerife legten wir an. Das Felsgestein dieser Eilande stammt aus Vulkanen. Der Pico del Teide als höchster Punkt trug in der klaren Luft ein weißes Wolkenkäppchen. Eine aufsteigende Straße führte an großen Neubauten, provisorischen Hütten und Häusern vorbei zur Universität in La Laguna auf der westlichen Inselseite. Überall tritt der dunkelbraune, oft sehr felsige Untergrund zutage. Viele Flachdachgebäude waren farbig bemalt. Wir staunten über die vielen Bananen-Plantagen, Obst-Bäume und Blumen, wobei letztere in Mittel-Europa nur als Zimmerpflanzen gehalten werden. Viele alte Kraftfahrzeuge verkehren noch auf der Insel.
Äquatorüberquerung –Taufe mit dem Äquator-Königspaar und anschließendem Ball
Am 6. November überquerte das Schiff den Äquator! Am Abend wählten die Passagiere eine nette Bolivianerin zur Äquator-Königin und ein Brasilianer wurde der Äquator-König. Mich hatten die Mädchen auch zur Wahl vorgeschlagen! Am Abend stieg der groß angekündigte Äquator-Ball! Spanische Zigeuner tanzten einen feurigen Flamenco, Gitarrenklänge, Zitherspiel und Gesang sollten unsere Ohren ergötzen. Alles klang sehr kläglich, auch wenn man die Künste der Laien in Rechnung stellen musste. Die Damen an meinem Tisch mussten 1938 wegen der Judenverfolgung im Nazi-Deutschland nach Uruguay auswandern. Weitere Menschen jüdischen Glaubens reisten auf dem Schiff. Teilweise hatten sie Verwandte in Israel besucht. So wurden wir jungen Deutschen mit den Folgen der verbrecherischen Rassen-Ideologie des damaligen Deutschen Reichs konfrontiert. Keine Ablehnung uns gegenüber war zu spüren.
Ankunft in Südamerika: Rio de Janeiro, Brasilien
Weil das Schiff früh in Rio de Janeiro anlegen sollte, standen wir um 5 Uhr auf. Stark wehte der Wind. Rechts vom Schiff, also Steuerbord, sah ich im graublauen Dunst bizarr geformte Berge. Gegen 7 Uhr erblickten wir die buckligen, senkrecht nach oben strebenden, abgeflachten, dunklen Berge. Auch den Zuckerhut konnten wir sehen und die ersten Hochhäuser in einer langen Linie an der Copacabana.
Wir begannen unsere ersten Schritte in Südamerika mit einem Rundgang durch die Avenida Río Branco, eine mit grünen, schattenspendenden Bäumen gesäumte breite Straße. Hochhäuser mit 40 Stockwerken wechseln ab mit alten dreistöckigen Gebäuden, Wand an Wand gebaut. Viele schwarze, braune, hellbraune Menschen neben weißen Bewohnern fielen uns sofort auf. Allerlei Kleinigkeiten wie Hosengummis, Glasschneider, Rasierklingen und Lotterielose wurden überall angeboten, häufig von behinderten, verkrüppelten Leuten. Der Straßenverkehr ist überwältigend. Links und rechts wird überholt, aber ohne anzeigende Blinklichter! Nach langem Suchen entdeckte ich kleine Verkehrs-Ampeln, hoch oben angebracht.
In der Frühe um 6 Uhr kommt das Küstenland von Santos in Sicht. Die Einfahrt in die Bucht von Santos dauerte lange. Die Hafenstadt liegt ziemlich am Ende einer von flachem Land und mit niedrigen Bergen eingerahmten Meeresbucht. Über 20 Handelsschiffe lagen an dem geraden, von vielen Lastkränen bestückten, etwa fünf Kilometer langen Kai. Vor dem An-Land-Gehen muss der Reisepass im Schiff gegen Ausgabe einer Nummer abgegeben werden. Nach Rückkehr aufs Schiff ist er sofort abzuholen, denn sonst würden die brasilianischen Behörden den Pass beschlagnahmen, weil sie annehmen könnten, dass der Pass-Eigentümer im Lande geblieben wäre.
Den kurzen Aufenthalt von zwei Stunden Dauer nutzten wir für einem Rundgang in die dem Hafen nächstgelegenen Stadtviertel. Die meist im alten portugiesischen Kolonial-Stil erbauten zweistöckigen Gebäude liegen an in Rechteck-Form angelegten Straßen, durchzogen von alten Straßenbahnschienen. Wir hoffen jetzt, dass wir am Sonntag, wenn das Schiff in Buenos Aires anlegen soll, alle unsere Gepäckstücke bekommen und unser VW-Bulli sofort aus dem Zoll gebracht werden kann. Wo sollen wir uns sonst aufhalten, wir wollen ja im eigenen Fahrzeug schlafen.
Die Hauptstädte am Río de la Plata: Montevideo und Buenos Aires
Zwei Stunden lang fuhr das Schiff an der flachen Küste von Uruguay entlang, im Mündungsgebiet des Río de la Plata, bis wir im Hafen von Montevideo anlegten. Um die Plaza Independencia gruppieren sich ein noch im Bau befindlicher Glaspalast mit mehr als 30 Stockwerken, ein aus Ziegeln gebautes Hochhaus und das älteste Hochhaus Südamerikas mit einem Turm. Letzteres hatte einen so scheußlichen Stil, dass mir grauste. Hier fuhren viele alte, noch vor dem Zweiten Weltkrieg gebaute Automobile auf den Straßen. Die Fußgänger müssen sich über schlecht gepflegte Gehwege plagen.
An unserem 27. Reisetag um 8 Uhr früh legte unser Schiff im Hafen von Buenos Aires in Argentinien an. Wir waren am Beginn unserer Kundfahrt durch Süd-, Mittel- und Nord-Amerika angekommen! Bis um 11 Uhr standen wir vor dem Zoll und warteten auf die Gepäck-Kontrolle. Unser Auto und die auf dem Dachgepäckträger transportierten Leichtmetallkisten sahen wir in der Zollhalle stehen, doch heute war Sonntag und die Freigabe des Fahrzeugs und der Kisten ist sonntags hier nicht möglich! So quartierten wir uns notgedrungen in ein Hotel ein.
Die argentinische Hauptstadt machte auf uns einen weltstädtischen Eindruck. Typisch wieder die nach spanischer Stadtplanung schachbrettartig angelegten Straßen. Breite Avenidas durchschneiden die Häuser-Blocks. Der Autoverkehr versetzte uns in Erstaunen. Eine Vorfahrtsberechtigung gibt es anscheinend nicht. Jeder fährt auf die Straßenkreuzung zu und wer die stärkeren Nerven hat, kommt durch. Nur an den Ampeln geht es besser zu. Jeder Wagen hat im wahrsten Sinne des Wortes richtige Stoßstangen, sehr verstärkt und bei niedrigen Stoßstangen sind zusätzliche Hörner mit Querstreben aufgesetzt.
Am Abend durchstreiften wir die Straßen im Zentrum. Dort verkaufen Straßenhändler aus umgehängten Thermosflaschen Kaffee in kleinen Bechern. Zu den mit Fahrzeugen und Fußgängern gefüllten Avenidas zwängten sich Omnibusse privater und staatlicher Linien. Die Busse sind mit grellen Bemalungen in Rot, Blau, Grün, Weiß und vielfachem Chrom-Zierrat geschmückt, zudem verbeult an Bug und Heck. Erstaunlich viele neuere und alte Mercedes-Benz-Omnibusse. Kein Wunder, in Buenos Aires existiert ein Werk von Daimler-Benz.
Am nächsten Morgen suchten wir den Automóvil Club Argentino auf, um wegen unseren Auto-Einreisepapieren endlich Klarheit und unseren Wagen aus dem Zollgelände im Hafen zu bekommen. Um 14 Uhr sollten wir wieder erscheinen. Beim Büro der American Express Company wollten wir deren Anschriften für ganz Südamerika holen, wegen des Umtauschs unserer mitgenommenen Traveller´s Cheques. Nur in Buenos Aires und in Rio de Janeiro gibt es Büros, war die ernüchternde Antwort. Auf dem Zollamt machten uns die Zöllner Schwierigkeiten wegen unserer Kameras, die wir beim Betreten des Zoll-Gebäudes mit uns trugen. Glücklicherweise tauchte ein Deutsch sprechender Zoll-Beamter auf, mit »geschenkten« zwei US-Dollars ging’s reibungslos. In den zwei Tagen brauchten wir alleine 40 DM für Gebühren und Trinkgelder.
Die seltsamen Gebräuche beim Parken der Autos auf den Straßen interessierten mich besonders: Abstellen, Gang rausnehmen, Handbremse nicht anziehen und Stoßstange an Stoßstange parken! Beim Ausparken schiebt der Fahrer mit seinem Auto die hinter oder vor ihm parkenden Fahrzeuge vorsichtig vor oder zurück und fährt aus der Parkreihe heraus. Die Busfahrer erbringen wahre Wunder. Durch den unaufhörlichen Verkehr auf mehrspurigen Straßen lenken sie mit der linken Hand den Bus, warten kaum an den Haltstellen, mit der rechten Hand reißen sie Fahrkarten ab, geben Geld heraus und während der Fahrt sortieren sie die Münzen wieder in den Münzgeber ein.
Am nächsten Nachmittag besuchten wir das Instituto Leopoldo Lugones (Hoelters-Schule). Die Schule liegt in einer schönen Umgebung mit gepflegten Häusern. Mit einigen Lehrern für Fächer wie Englisch, Turnen, Werken und Spanisch konnten wir uns in verständlichem Deutsch mit den argentinischen Lehrern unterhalten und erfuhren über Probleme dieser Schule in der Gegenwart und in der jüngsten Vergangenheit während des Zweiten Weltkriegs. Die Lehrer klagten über die geringe Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen deutschen Schulen. Bonn sei nicht richtig über die Wirkung dieser Schule informiert, vernahmen wir.
Heute war unser letzter Tag im Hotel in Buenos Aires. Eigentlich unser erster richtiger Reisetag. Wir fuhren hinaus an die Ufer des Ríos de la Plata in Richtung Tigre. Die Flussmündung war nach den vorangegangenen Regenfällen noch trübe braun. Dort liegt auch der kleinere Stadtflugplatz für den inländischen Verkehr. Selbst Düsenflugzeuge können starten und landen. An der Uferstraße, die im Stadtteil Palermo liegt, reihen sich kleine Restaurants mit Zeltplanen und Glasfenstern aneinander. In einem der kleinen Lokale versuchten wir anhand des Wörterbuchs ein schmackhaftes Fleischgericht zu finden. Ein Deutsch sprechendes Ehepaar half uns beim Bestellen. Wir kamen ins Gespräch über unsere Kundfahrt und schließlich hatten wir eine Einladung zu einem Drink am gleichen Abend erhalten. Das Ehepaar wohnte im 24. Stockwerk eines neu erbauten Hochhauses. Einen herrlichen Ausblick über die Stadt und den Hafen hatten wir von dort oben. Sie rieten uns, den Süden Argentiniens und den Süden Chiles zu besuchen. Nun wackelte unser Entschluss, nicht südlicher als nach Buenos Aires zu reisen.
Mesopotamien in Südamerika
Früh verließen an unserem 37. Reisetag unseren Rastplatz und bewegten uns auf der Carretera Panamericana an Escóbar, Rio Luján, Otamendi, Campana vorbei nach Zárateam Rio Paraná. Von dort setzte uns die Fähre in zehn Minuten, zusammen mit Camiónes (Lkw) auf die östliche Uferseite über. Wir fahren nun auf der Straße Nummer 12 durch das sogenannte Mesopotamien, das Zwischenstromland. Die Straße besteht aus festgefahrenem Untergrund mit lose darauf liegenden, kleinen Steinen ähnlich wie Splitt. Der kräftige Wind neigt die Baumwipfel zur Seite. Im VW-Bulli messen wir 39 Grad! Durch alle Ritzen dringt der von uns aufgewirbelte Staub ins Wageninnere herein.
Die Landschaft ist flach wie ein Brett. Gras, dazwischen Disteln über einen Meter hoch, durchsetzt mit einzelnen vier bis fünf Meter hohen Bäumen mit winzigen Blättchen und Stacheln. Diese Weideflächen, die Pampa, sind mit Stacheldraht eingezäunt, dort weiden Rinder, Schafe und Pferde. An der Überlandstraße liegen im Abstand von circa zehn Kilometer kleine, einstöckige, mit Stroh gedeckte Häuser, die als Wirtschaft und gleichzeitig als Kaufladen dienen. Überall stach die Reklame von Coca-Cola ins Auge. Mit Schafsfell besattelte Pferde standen davor, wenn sich die Gauchos nach ihrem Ritt durch die Viehweiden erfrischten.
40 Tage waren wir nun unterwegs! Wir durchquerten noch immer die argentinische Provinz Corrientes in Richtung der Grenzstadt zu Brasilien. Bei der Ankunft in Paso de los Libres verlangten die Zöllner auf der argentinischen Seite der internationalen Brücke für ihre Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen eine Gebühr von 670 Pesos. Da wir auf brasilianischer Seite ebenfalls einen Tribut zu erwarten hatten, verschoben wir unsere Weiterreise.
Von Argentinien in den Süden von Brasilien: Das Leben auf einer Estancia
Wir trafen uns mit dem Schweizer, Herrn W., der uns zum argentinischen und brasilianischen Zoll auf der internationalen Brücke zwischen Paso de los Libres und Uruguaiana begleitete. Dann fuhren wir endlich über die im Jahr 1942 vollendete Brücke zwischen Argentinien und Brasilien. Auf brasilianischer Seite standen Marine-Soldaten mit Stahlhelm und Karabiner bewaffnet auf Wache. Der vor Kurzem erfolgte Umsturz durchs Militär, welcher General Branco an die Macht brachte, war hier spürbar. Es galt noch der Belagerungszustand.
Die Kontrolle unseres Gepäcks gestaltete sich genau und langwierig. Mit der vorübergehenden Einfuhr unseres Fahrzeugs waren die Zollbeamten nicht einverstanden, obwohl wir vom ADAC die Kopie eines Dekrets der brasilianischen Regierung über die zollfreie Einfuhr eines Kraftfahrzeugs durch Touristen verfügten. Darin stand, dass Touristen, welche von Argentinien, Paraguay und Uruguay kommen, keinen Einfuhrzoll und keine Kaution stellen müssen. Hier wird ein Gesetz offenbar dehnbar wie Gummi behandelt. Wir sollten eine Kaution in Höhe von 1.800.000 Cruzeiros bereitstellen. Das würde umgerechnet einem Wert von 4.500 DM entsprechen! Aber, jetzt kam der Haken, die Kaution musste ein angesehener brasilianischer Bürger beibringen. Der hilfsbereite Herr W., der mit uns über die Brücke nach Brasilien gegangen war, dolmetschte und saß gewissermaßen in der Klemme, weil er selbst als argentinischer Bürger diese Kaution nicht geben konnte. Herr W. fuhr dann mit mir zu einem Geschäftsfreund. Dieser bot uns Hilfe an und wir kamen überein, ihm Traveller’s Cheques im Wert von 4.500 DM leihweise zu überlassen und er dafür beim brasilianischen Zollamt die 1.800.000 Cruzeiros Kaution in bar für unseren VW-Bulli hinterlegt.
Heute früh fuhren wir hinaus zu einer »Estancia« (Viehzuchtfarm). Unter schattigen Laubbäumen grasten Pferde und Rinder neben dem eingezäunten bunten Pflanzengarten. Auch hier das für diese Gegend typische Windrad für die Wasserpumpe, die das Wasser für die installierten Leitungen im Wohnhaus und in den weiteren Farmgebäuden liefert. In lockerer Gliederung stehen die Gebäude zueinander. Solche für das Schaf-Scheren, die Gerätekammer, der Schuppen für die geschorene Wolle, die dort in Säcken mit circa 150 Kilogramm Gewicht lagert. In weiteren Gebäuden wohnen die Landarbeiter und die Gauchos ohne Familien. Die Gesindeküche, Motorenstation und schließlich das lang gestreckte, einstöckige Wohngebäude des Estancia-Eigentümers samt eingerichteten Gästezimmern.
An der Ausstattung der Räume und der komfortablen Badezimmer, welche zu jedem Zimmer gehören, konnte man den Wohlstand, man kann schon sagen, den Reichtum des Eigentümers, erkennen. In einem auf Stelzen stehenden, luftigen und überdachten offenen Schuppen standen die Zuchttiere mehrerer Rassen. Der Stall wird peinlich sauber gehalten, täglich muss Stroh eingelegt und ausgewaschen werden, damit die Tiere keine Plage mit den vielen Fliegen haben. Die Zuchttiere ließ der Farmer vor einiger Zeit mit Rassen einer französischen Züchtung auffrischen.
Wegen der milden nächtlichen Temperaturen benötigt eine Estancia keinen Stall für die circa 10.000 bis 15.000 Stück Vieh. Seltsam war, dass keine Milchkühe gehalten wurden. Wenn ein bis zwei Mal im Jahr das Vieh verkauft oder versteigert wird, machen die Farmer das große Geschäft. Einige Estancias züchten nur Jungtiere und verkaufen sie an andere Farmen. Bei Rodeos treiben die Gauchos die Tiere zusammen, brennen den Eigentumsstempel auf die Haut, impfen und sortieren kranke Tiere aus. Pferde werden hauptsächlich als Reittiere und für die Gauchos als Arbeitstiere gehalten und bleiben bis zum arbeitsfähigen Alter auch im Freien, wie die Rinder und Schafe. Diese werden gewaschen, desinfiziert und geschoren. Der Schwanz wird abgeschnitten, damit sie sich nicht das Fell beschmutzen sollen. Vom Verkauf der Wolle soll der Eigentümer die laufenden Kosten bestreiten können, der Verkauf der Rinder soll sein weiteres Einkommen bringen.
Grenzirrtum – Versehentlich in Uruguay
Aus Uruguaiana im Bundesstaat Rio Grande do Sul fuhren wir auf einer breiten, anfänglich asphaltierten, später in Schotter und Staub übergehenden Straße in Richtung Osten. Nach eineinhalbstündiger Fahrt gelangten wir über eine gleichzeitig dem Autoverkehr als auch dem Eisenbahnverkehr dienenden Brücke über einen Fluss. Am Rand der Brücke winkten uns Leute von einem danebenstehenden Häuschen aus zu und 100 Meter weiter stoppte uns ein Soldat in einem Wachhaus. Wir staunten darüber und wendeten unseren VW zurück zu dem Häuschen. Da bemerkten wir, dass uns ein Fahrzeug mit Soldaten gefolgt war.
Erst jetzt erkannten wir: Wir überquerten unwissentlich eine Grenze ohne anzuhalten. Somit waren wir auf dem Weg nach Uruguay. Dahin wollten wir nicht! Anhand der Straßenkarte studierten wir den Weg vom Ausgangsort zum jetzigen Standort und erkannten, dass wir in Uruguaiana an der Straßenkreuzung wegen fehlender Hinweisschilder nach Süden anstatt nach Osten gefahren waren. Der brasilianische Grenzort hieß Bella Union am Rio Uruguai. Bis wir unseren Irrtum dem Zollbeamten erklären konnten, vergingen vier Stunden. Dadurch entstand ein internationaler Grenzzwischenfall. Die Soldaten in dem uns verfolgenden Auto vermuteten, wir wären Flüchtende mit Waffen, weil wir Aluminium-Kisten mit unserem Gepäck auf dem Dachgepäckträger verstaut hatten. Nun befanden sich die brasilianischen Soldaten, also Militär, unerlaubt auf dem Staatsgebiet von Uruguay. Daraufhin wurden seitens Brasiliens höhergestellte Militärs hinzu beordert und seitens Uruguays mussten Zoll-Beamte geholt werden, um zu besprechen wie der Grenzzwischenfall zu regeln se, denn die Brasilianer hätten durch ihre Waffenmitnahme eine Provokation verursacht!
Obwohl sich unser Irrtum an und für sich als glaubwürdig herausgestellt hatte, wurden wir noch einer gründlichen Gepäckkontrolle unterzogen. Dank eines uruguayischen Arztes, der Englisch sprach, konnten die letzten bestehenden Zweifel ausgeräumt werden. Wir dachten, alles sei jetzt erledigt und wir kehren zurück und suchen die richtige Straße innerhalb Brasiliens nach Osten. Dem war nicht so. Ein brasilianischer Sergeant setzte sich neben Ernst auf die Beifahrerbank, während ich den VW lenkte. Auf der Rückbank neben Rüdiger saß ein Soldat, der uns mit der Maschinenpistole bewachte. Sobald sich einer von uns bewegte, zog er die Sicherung durch und brachte sie in Anschlag. Es war wie in einer Komödie, einfach lachhaft. Am Nachmittag kamen wir so, schwer beladen mit zwei Soldaten, wieder zum Ausgangsort zurück, wurden in die Marine-Kaserne befohlen und dem Comandante Olaro Pereira do Rocha vorgeführt. Er sprach gut Englisch und so klärte sich alles auf. Niemand wurde bestraft, auch nicht der strenge Sergeant, der mit der Waffe auf fremdes Staatsgebiet geriet. Bei Kaffee und Gebäck bat uns der Comandante bei unserer Rückkehr nach Uruguaiana, bei ihm vorbeizukommen. Zuvor gab er uns Ratschläge, welche Orte und Sehenswertes wir in seinem Land unbedingt besuchen sollten.
Begegnungen mit Deutschstämmigen in der Stadt São Pedro do Sul
Von dem schönen Rastplatz am Rio Ibicui gelangten wir am Vormittag auf sehr schlechter Straße zur Stadt General Vargas. Auf Erdstraßen, mal rot, mal weiß und teilweise mit losem Sand belegt, erreichten wir am Nachmittag die von vielen deutschsprachigen Menschen bewohnte Stadt São Pedro do Sul. Abends suchten wir in der Stadt Santa Maria vergeblich eine Adresse. Aber Anwohner luden uns zum Bleiben ein, als sie hörten, dass wir einen Schlafplatz mit Wasser suchen. Eingeladen von einer Deutschstämmigen und ihrem italienischen Mann servierten die beiden ein gutes Abendessen. Zwei Schwäger der Frau wohnten in den angrenzenden Gebäuden und halfen mit bei der Autowäsche und beim Tanken. Diese Menschen, welche Deutschland noch nie gesehen hatten, fragten viel über das Leben im Nachkriegs-Deutschland. Die meisten stammten in der zweiten und dritten Generation von eingewanderten Deutschen ab und sind als Brasilianer geboren.
Mate-Tee trinken bei Familie K. in Porto Alegre
Die Blätter des Mate-Strauches werden zerstoßen, gemahlen und kommen in einen ausgehöhlten gereinigten Guya (Kürbis), deren Samen entfernt wurden. Dazu gehört ein aus Silber gefertigtes Saugrohr, oft mit einem Gold-Mundstück versehen. Der Tee wird bis an den Rand des Kürbisses gefüllt, dann gießt man heißes Wasser dazu und nun beginnt ein jeder das Teegefäß auszusaugen. Gefüllt mit neuem Wasser reicht man das Gefäß an den Nächsten weiter.
Über das kilometerlange Brückenbauwerk des Rio Jacui erreichten wir die Großstadt Porto Alegre mit 650.000 Einwohnern. Die schwach befahrene Straße führte direkt in das mit Hochhäusern bestückte Zentrum. Im Stadtteil Ipanema suchten wir die Adresse von Familie A., die hier wohnen soll, die wir auf der Schiffreise kennen gelernt hatten und welche uns bei einem Besuch ihrer Stadt einlud. Trotz falsch hängender Straßenschilder fanden wir die Adresse nach längerem Suchen. Bei der heutigen Temperatur von 37 Grad war nach der Ankunft die kalte Dusche sehr angenehm. Endlich klappte die Unterredung mit Herrn Doktor B. vom Konsulat. Er machte uns darauf aufmerksam, dass wir eigentlich nicht nach Uruguaiana, wo wir brasilianischen Boden betreten hatten, zurückkehren müssten, sondern wir doch in Foz do Iguaçu nach Paraguay ausreisen könnten. Dies war zwar entgegen unserem ursprünglichen Plan, aber die Wasserfälle sind viel größer als die Niagara-Falls in den USA, und das wollten wir selbst sehen. Unsere deponierten Traveller’s Cheques in Uruguaiana könnten per Flugzeug nach Porto Alegre an das Deutsche Konsulat geschickt werden und von dort per Sonder-Kurier an die deutsche Botschaft in Buenos Aires gehen. Anschließend mit dem nächsten Kurier ins argentinische Cordobá gebracht werden, wo wir doch bis Anfang Februar 1965 sein wollten.
Die Müllmänner wünschten mit Visitenkarten schöne Feiertage und ein glückliches Neues Jahr in Porto Alegre, Rio Grande do Sul
Inflation und ihre Probleme
Die in Brasilien herrschende Inflation half, unseren Geldbeutel zu schonen. Luftpost-Briefe im Inland kosten umgerechnet nur 3 Pfennig. Eine Postkarte ins Ausland 35 Pfennig und ein etwas schwererer Luftpost-Brief ins Ausland DM 3,00! Familie A. will nach 14-jährigem Aufenthalt in Brasilien wieder nach Deutschland zurück. Wie sie sagten, können sie mit dem ersparten Geld hier nicht mehr viel kaufen, weil die Inflation von Monat zu Monat schlimmer werde, obwohl sie eine Autowerkstatt betreiben und zwei Taxen besitzen. Ihr Haus und alle Möbel haben sie verkauft.
Mit einem etwa 60 Jahre alten Herrn unterhielt ich mich, er betreibt in Ibirama eine Gaststätte und ein Kino. Er wanderte 1922 wegen Arbeitslosigkeit nach Brasilien aus, musste mit weniger Geld als er zuvor in Österreich als Arbeitslosenunterstützung erhielt, in der Kolonie mehr als fünf Jahre lang auskommen. Wie er erzählte, hatte er sich erst nach 20 Jahren ein gewisses Vermögen gesichert. Wohlfühlen würde er sich hier nicht. Zurück nach Europa wolle er in seinem Alter aber nicht mehr. An das Leben in Brasilien habe er sich eben gewöhnt. Wohlfühlen? Nein! Weg gehen? Auch nicht! Was dann? Moderne Filme wollten die Deutschstämmigen nicht sehen, auch wenn diese aus Deutschland kommen. Solche Filme seien zu sehr US-amerikanisch, französisch oder italienisch, nicht mehr deutsch. Deutscher Film sollte in diesen Gegenden beinhalten: Berge, Wälder, Sissi, saubere Mädchen oder Berg-Jodler. Wie den hier geborenen Deutschen von ihren Vorfahren noch die alte Heimat geschildert wurde, glaubten sie, es sei heute noch so in Deutschland und wollten andere Filmdarstellungen nicht sehen!
Blumenau, die deutscheste Stadt in Brasilien
In Blumenau, wo wir gestern am Spätnachmittag ankamen, suchten wir zuerst das deutsche Wahl-Konsulat auf, das sich im Hause einer Druckerei und eines Schreibwarengeschäftes etabliert hatte. Vom Wahlkonsul Paul K., gleichzeitig Mitinhaber der Papierhandlung, erfuhren wir, dass Blumenau von Dr. Blumenau aus Deutschland gegründet wurde, der vor über 100 Jahren auf einem kleinen Raddampfer, der noch heute in der Stadt zu sehen ist, von Hamburg nach Brasilien übersiedelte. Zusammen mit einigen Familien, die als Gründer der Kolonie gelten.
Blumenau, das 60.000 Einwohner zählte, befand sich durch die in der Umgebung angesiedelte Industrie, darunter stark vertreten die Textilindustrie, noch immer in raschem Wachstum. Konsul K. vermittelte die Besichtigung einer modern eingerichteten Weberei. Diese Firma behandelt ihre Arbeiter nicht so wie die vorwiegend mit nordamerikanischem Kapital ausgestatteten Firmen, die ihre Arbeiter nach sieben bis neun Jahren Betriebszugehörigkeit kündigen würden. Nach brasilianischem Arbeitsgesetz muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Kündigung nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit drei Monatseinkommen und ein weiteres Monatseinkommen als Übergangsgeld bezahlen. Bei zehn Jahren Zugehörigkeit jedoch 20 Monatseinkommen und ein weiteres als Übergangsgeld; alles berechnet nach dem letzten Lohn oder Gehalt. Nach Aussagen einzelner Unternehmensleiter wären manche Mitarbeiter so arbeitsunwillig, weil sie wüssten, dass sie bei Kündigung viel Geld auf einmal ausbezahlt bekämen.
Eisenbahnfahrt von Curitiba durch den Tropischen Regenwald bis zur Atlantikküste
Eisenbahn Curitiba – Paranaguá durch das Küstengebirge »Serra do Mar«, (Postkarte, Sammlung Liebeck)
Um 6.30 Uhr standen wir am Schalter der Ferroviaria (Eisenbahn) um nach Paranaguá zu fahren. Die Bahn stieg von 950 Metern Höhe auf zehn Meter Meeresküste hinab. Dies erfolgt in engen Kurven, auf kühnen Stahlkonstruktionen über die Gebirgstäler auf schmaler Trasse entlang der rechten Seite des weiten Tales. Durch enge, teils ausgemauerte Tunnels konnte nur ein Gleis hindurchgeführt werden. Wegen Nebel und Regen sahen wir nicht weit in die Landschaft hinein, doch der Blick auf die grün wuchernde Wildnis bescherte uns ein großartiges Erlebnis. Die Bahn ratterte schließlich in den kleinen Kopfbahnhof Paranaguá ein.
Die 110 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zwischen Curitiba und Paraguaná gilt als ingenieurtechnische Meisterleistung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Bahn wurde von Ferdinand de Lesseps, dem Erbauer des Suez-Kanals, gebaut und 1885 fertig gestellt. Die Trassenführung der Schmalspurbahn ist einspurig und bewältigt den Höhenunterschied von 950 Metern über eine Länge von 80 Kilometern. Sie hat 15 Bahnstationen und läuft über 13 in den Felsen gehauene Tunnel, 41 aus Belgien importierte Stahlviadukte und 32 Brücken.
Sâo Paulo
Nach unserem Start um 9 Uhr waren wir noch 150 Kilometer von Sâo Paulo entfernt. Von Deutsch sprechenden Lkw-Fahrern, die Maniok und Frachtgut nach Rio de Janeiro transportierten, erfuhren wir, dass sie sieben bis acht Tage von Porto Alegre bis Rio de Janeiro unterwegs sind. Das meiste Gemüse stammt aus den Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná und wird in die ehemalige Hauptstadt Brasiliens, nach Rio de Janeiro gebraucht. Durch die Transportkosten verteuert sich das Leben dort sehr zu Ungunsten der dortigen Bevölkerung. Im Süden könne man billiger leben als in den Großstätten, denn dort verdienen die Menschen wohl weniger, aber das Wohnen ist auch billiger.
Die Straße wies ziemlich viele Löcher und verdrückte Stellen auf. Trotzdem galt sie bei den Leuten als gute Straße! In den dschungelartigen Bergwäldern hörten wir ein kreischendes Geräusch als wenn im Wald mit Kreissägen gearbeitet würde. Doch: ein etwa 5 Zentimeter großes Insekt verursacht diesen Lärm. Das müssten Cigarras (Zikaden) sein.
Bald erreichten wir das von Wolkenkratzern starrende Zentrum. Nach langem Fragen fanden wir die Anschrift des Mädchens Edda D., mit der wir auf dem Schiff oft getanzt hatten. Gestern Abend lernten wir die ganze Familie kennen, gemeinsam mit den drei erwachsenen Brüdern aßen wir am Familientisch. Später besuchten wir in einem anderen Stadtteil Herrn T., der bei Volkswagen do Brasil arbeitet. Durch ihn sollten wir laut Edda unseren VW günstig im Werk überprüfen lassen können. Am heutigen Montag fuhren wir mit Edda ins VW-Werk, das etwa 20 Kilomter vom Stadtzentrum entfernt liegt.
Der Bulli wurde schnell angenommen und gewartet. Herr T. zeigte uns das Werk, welches bereits 5.000 Leute beschäftigte, obwohl es erst 1958 erbaut wurde. Damals liefen 300 VW-Fahrzeuge täglich vom Band, die Hälfte waren VW-Transporter wie unser VW-Bulli, die anderen VW-Käfer. Auch das Modell Karmann Ghia wurde gefertigt. Bereits 98 Prozent der Teile wurden in Brasilien gefertigt, nur der Rest importiert. Meiner Meinung nach, eine moderne und erweiterungsfähige Anlage.
Fahrzeugprobleme und Zeitdruck an Weihnachten 1964
An unserem VW musste ein Defekt sein. Seit einigen Tagen knackte es irgendwo an der Hinterachse. Einmütiges Urteil zweier Mechaniker: ein Getriebe-Schaden. Kosten: DM 200 bis 400. Ein heftiger Einbruch in unsere Finanz-Budgets. VW kann wegen der Feiertage erst wieder am 4. Januar 1965 Reparaturen annehmen. Wir müssen aber am 30. Januar (unklar) aus Brasilien draußen sein, denn an diesem Tag läuft die vorübergehende Einfuhr unseres Wagens ab. Was tun? Wir mussten jemanden finden, der uns den Wagen schnell und billig repariert.
Zu unserer Überraschung lud uns Herr D. zum Feiern mit seiner Familie an diesem Weihnachtstage ein. Ein Weihnachten bei 22 Grad Celsius kannten wir noch nicht.
Der erste Weihnachtstag ist in Brasilien auch der einzige Feiertag zu Weihnachten. Früh holte uns Artur F. ab und wir versuchten, bei drei VW-Werkstätten, unseren VW-Bulli reparieren zu lassen. Wegen Weihnachten und Samstag ein vergeblicher Versuch! So blieb uns nichts weiter übrig, als das defekte Getriebe am Montag in Ordnung bringen zu lassen.
Korruption erklärt anhand der Schätzung der Haussteuer
Ein seltsamer Vorgang ist die Steuerzahlung, wie sie uns berichtet wurde. Beispielsweise die Grund- oder Haussteuer. Eines Tages kommt der funcionário fiscal (Steuerbeamter) und sagt, dass sich der Wert des Hauses durch die hier zurzeit herrschende Inflation geändert habe und somit auch die Steuersumme. Die neue Steuer würde Cruzeiros 120.000 (DM 300) betragen. Der Hauseigentümer ist entsetzt, denn im letzten Jahr hatte er circa Cruzeiros 10.000 bezahlt. Er erklärt, dass er im Augeblick nicht so viel Geld im Hause habe und daher unmöglich sofort bezahlen könne. Nach einigem Hin und Her deutet der Beamte an, die Steuer reduzieren zu können! Dafür erwartet er ein fürstliches Trinkgeld oder ein Geschenk für seine Frau oder seine Kinder in Form von Bargeld. Man gebe ihm dann etwa Cruzeiros 10.000 bis 20.000. Anschließend würde die neue Summe von Cruzeiros 10.000 in die Steuerliste eingetragen. Den Rest würde er selbst behalten. Mit dieser Methode würde so ein Mensch bei 10 bis 15 Besuchen pro Tag neben seinem Gehalt circa DM 500 bis 600 täglich dazu »verdienen«. Anzeigen würden nicht verfolgt, die Beamten in Brasilien sind, so betonten unsere Gastgeber, einfach korrupt!
Heute wurde mir das Geschwätz der Leute wegen unserer Bärte zu dumm. Immer wieder gefragt zu werden, ob wir Anhänger Fidel Castros seien, nervt. Hier tragen die Fidelisten als Sympathisanten den so genannten Kuba-Bart. In Brasilien geht die Regierung scharf gegen die Kommunisten à la Kuba vor. Unsere deutschstämmigen Gastgeber prophezeiten uns wegen unserer ähnlichen Bärte Schwierigkeiten in Brasilien. Um nicht weiterhin aufzufallen, rasierte ich mir nun den Bart ab!
Hilfsbereitschaft bei der Autoreparatur
In der VW-Werkstatt stellte sich heraus, dass am linken Rad das Radlager beschädigt, das Achsrohr gebrochen, das im Getriebe sitzende kleine Differential-Zahnrad gebrochen und die dort geführten Kugellager beschädigt sind sowie das Lagergehäuse davon ausgeschlagen ist. Das in unserem Modell eingebaute Getriebe ist bei VW in Deutschland eingebaut worden, weshalb das brasilianische Getriebe nicht in unseren VW passen würde. Deshalb brauchen wir ein in Deutschland produziertes und importiertes Getriebe. Diese Teile würden circa Cruzeiros 112.000 (DM 280) kosten. Hilfsbereite Menschen würden auf ihren Verdienst verzichten! Wenn alles wie vorgesehen klappt, könnte unser VW am Mittwochabend fertig repariert sein. Nach drei Tagen Reparaturarbeiten konnten wir den Wagen am Nachmittag abholen. Zusätzlich zu den Teilen, die wir durch das VW-Werk billiger gekommen hatten, kamen noch Kugellager für Getriebe, Radbremszylinder und Stoßdämpfer. Zusammen 112.000 Cruzeiros. So reduzierte sich unser Finanz-Budget um 560 DM.
Der gebrauchte VW macht uns Kummer. Hoffentlich übersteht er die noch kommende Anden-Überquerung. Heute beendeten wir unseren lang ausgedehnten Zwangsaufenthalt in São Paulo. Wir stoppten noch in der City am Hauptpostamt, um nach der bekannt gegebenen Gebührenerhöhung um 100 Prozent unsere Briefe in die Heimat aufzugeben.
Rio de Janeiro
Im Haus der Deutschen katholischen Kirche fanden wir eine Unterkunft. Unseren Wagen konnten wir hinter einer mit einem Tor verschlossenen Mauer sicher abstellen. Die Bewohner dieses Gebäudekomplexes nahmen vermutlich an, dass wir ebenfalls Katholiken wären. So scheint es auch im katholischen Kolpinghaus in São Paulo gewesen zu sein. Niemand hatte uns bisher nach unserer Glaubenszugehörigkeit gefragt. Schon Alexander von Humboldt, der große Erforscher in Südamerika, konnte bei seinen Reisen durch Äquinoktial-Amerika immer in katholischen Missionen Halt machen. Das war vor 150 Jahren!
Die offene Straßenbahn »Bonde« in Rio de Janeiro
Vor dem Mittagessen schlichen wir mit Pater Josef mit unserem VW die steilen Straßen hinauf zum Morro de Dona Marta. Hier erblickten wir einen großen Teil von Rio und über der Bucht Guanabara den im Dunst liegenden Ort Niteroi. Hinter uns stieg der Corcovado mit der riesigen Christus-Figur auf. Im Mittelgrund strebte das Wahrzeichen Rios, der Granitfels Pão de Açúcar (»Zuckerhut«) aus dem Wasser. Direkt unter der als Aussichtplattform ausgebauten Spitze des Berges Dona Marta
klebten Holz- und Blechhütten am Berghang, die Favelas, Elendshütten ohne Sanitär- und Hygieneeinrichtungen! Diese Weltstadt liegt so zerteilt zwischen einzelnen Bergen und Felsen, dass nirgends die ganze Ausdehnung gesehen werden kann. Mit dem Bus Nummer 404 fuhren wir zu den weltbekannten Badestränden Leblon und Ipanema. Hinter einer Hochhausreihe beginnt der weiße Sandstrand. Belebt mit Familien, Bikini-Mädchen, Fußballspielern, die sich Tore in den Uferstreifen gesteckt haben, Pärchen und vielen Kinder aller Farbschattierungen.
Mit Pater Wolfgang gingen wir am späten Abend den Trommelwirbeln nach und sahen auf einem Platz eine Gruppe von 15 schwarzen Brasilianern mit Trommeln, Pauken, Pfeifen und Rasseln, begleitet von Mädchen und Frauen, zusammen eine Samba-Melodie erprobend. Vorangehend eine Fahnenschwingerin und im roten Hemd der Tambour mit Signalpfeife. Eine Vorbereitung für den Karneval-Umzug des Jahres 1965.
Bürokratie
Auf dem Gelände der Deutschen Botschaft trafen wir Herrn H., der sich bemühte, die Aufenthaltsverlängerung für unseren Wagen um 30 Tage zu erreichen. Ziel war das Hauptzollamt. Vom Sekretär des Direktors hieß es, erstmal warten. Nach dem Eintreten in das Chefzimmer: Der wichtige Mann unterhielt sich gemütlich stehend mit einem Bekannten. Nach 15 Minuten begrüßte er uns höflich und hörte unserem Begehren zu. Er übergab uns eine schriftliche Anweisung an das Finanzministerium und bedauerte, nicht mehr für uns tun zu können.
Badestrand Botofago mit Zuckerhut im Hintergrund, Rio de Janeiro
Auf dem Ministerium mussten wir wieder auf den Direktor warten. Nach 20 Minuten des Wartens ließ er uns hereinrufen. Herr H. erklärte ihm unser Begehren, legte unsere doppelseitige Visitenkarte unserer Kundfahrt »Stuttgart – La Plata – Alaska« vor und bat höflich um die Verlängerung. Hinter seinem gewaltigen dunkelbraunen Schreibtisch sagte er an mich gewandt: »Bringen Sie ein Bittschreiben der Deutschen Botschaft, dass Sie länger als 60 Tage in unserem Land bleiben wollen. Kommen Sie morgen wieder mit dem Bittschreiben der Deutschen Botschaft« war sein Abschiedsgruß!
Kurz nach 15 Uhr standen Herr H. und ich vor dem Büro des Direktors im Finanzministerium. Er war nicht anwesend. Das Bittschreiben der Botschaft gaben wir bei seiner Sekretärin ab. Um 16 Uhr wieder beim Direktor. Er fehlt noch immer. Wir blieben hartnäckig. Endlich, um 17.15 Uhr, kam der Herr Direktor und begann zu telefonieren. Stören darf man ihn keinesfalls. Endlich, nach weiteren 15 Minuten, legte er der Hörer auf, die Sekretärin gab ihm das Schreiben der Botschaft. Es war jetzt eine Viertelstunde vor Dienstschluss. Sie kam zurück und bedauerte. Wir sollen am Freitag um 11 Uhr wieder hier sein. Zum Schreien! Jetzt würden wieder zwei Tage ohne Ergebnis vergehen …
Reichtum und Armut dicht an
Dicht an dem aus dem Urwald aufsteigenden, oben abgeflachten Pedra da Gávea führte die Betonstraße an großzügigen Villen mit üppig wuchernden Tropenpflanzen in den Gärten über einen Straßenviadukt hinab nach São Conrado. Anschließend führte unser Weg an den im Stadtgebiet gelegenen See Lagoa Rodrigo de Freitas, an dessen Ufer die Hütten der Armen den Hang hochklettern. Zwischen den Blech- und Holzhütten steigen mit Unrat gesäumte, geschlungene Erdwege den Steilhang empor. An einzelnen von Wasserhähnen gespeisten Trögen waschen die vorwiegend schwarzen Frauen die bunte Wäsche und überqueren die Avenida Epitácio Pessoa mit den Waschkörben auf dem Kopf, um im Ufergras des Sees die Wäsche zum Trockenbleichen auszulegen.
Unter den Bewohnern dieser Favelas breiteten sich kriminelle Banden aus. Kein Fremder kann hier ohne eine dort lebende Person als Begleiter durchgehen. Selbst die Polizei betritt diese elenden Hüttenstädte nicht! Als sich bettelnde Kinder und nicht gerade freundlich wirkende Bewohner näherten, zogen wir es vor, mit dem Auto zu starten. Gouverneur Lacerda, der Präsidentschaftskandidat Brasiliens, will nach seiner Wahl die Favelas abreißen lassen. Er wurde jedoch nicht Präsident.
Bürokratie beendet, Aufenthaltsverlängerung bekommen
Für 11 Uhr war ich mit Herrn H. in der Botschaft verabredet. Das Finanzministerium hatte – welche Überraschung – das Anschreiben an die Zollbehörde in Uruguaiana fertig gestellt und die Bescheinigung über die Aufenthaltsverlängerung für unseren Wagen übergeben.
Ausflug zur Insel Paquetá – Ekelerregender Aufenthalt
Spätnachmittags setzten wir mit dem Motorboot zur Insel Paquetá im Golf von Guanabara über, die uns als sehr angenehmer Aufenthaltsort empfohlen wurde. Dort fragten wir nach dem Deutschen Paul W. durch, der am Ende der Insel in einer Parkanlage einen Gebäudekomplex besitzen würde. In der Dunkelheit fanden wir ein von Hundegebell und anderen seltsamen Geräuschen durchhalltes Areal. Durch die Ungepflegtheit und auch Verwahrlosung waren wir richtig angeekelt. Mit der Luftmatratze auf den Bettmatratzen konnten wir nach dem Genuss einiger Biere einschlafen.
Das großzügig, früher von katholischen Geistlichen gebaute Haus verfiel zusehends. In den neben dem Haupteingang liegenden Räumen verstaubten gesammelte Ölgemälde, Statuen, Photographien, Teppiche und neben den Möbeln auch ein mit alten Zeitungen abgedeckter Flügel. Stapel von gelesenen Zeitschriften aus den USA und Deutschland türmten sich neben altertümlichem Kaffeegeschirr. Zwischen einem dunklen Himmelbett, das aus vergangenen Jahrhunderten zu stammen schien, hauste der vor 47 Jahren eingewanderte Paul. In den einstmals gut eingerichteten Gästezimmern war durch die Spinnenweben an Fenstern und Zimmerdecken wenig von der vergangenen Pracht zu erkennen. Ohne Bettbezüge mieteten wir uns in die unappetitlichen Matratzen ein.
Zwei Schäferhunde, zwei Vorsteherhunde, vier Katzen, drei Papageien, zwei Kapuzineraffen, ein Hahn mit mehreren Hühnern, acht Enten sowie Flöhe bevölkerten Tische und Umgebung der Sitzenden. Nicht zu vergessen die vielen Tauben und zwei angekettete Wachhunde! Auf der Insel lernten wir Herrn von C. kennen, der um 1925 nach Brasilien auswanderte und sich als Minenarbeiter im Diamantengebiet von Minas Gerais durchschlug. Später wurde er Bauarbeiter und Sekretär bei den Botschaften von Uruguay und Chile, bis er selbst mit dem Handel von Edelsteinen sein Auskommen suchte. Nach seinem einfachen Äußeren zu urteilen, das mehr dem eines Einsiedlers glich, scheinen die Geschäfte nicht sehr einträglich gewesen zu sein.
Minen in Minas Gerais
Belo Horizonte ist seit dem 12. Dezember 1897 die Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais (übersetzt »allgemeine Minen«) und entstand auf dem Reißbrett. Vermutlich fehlten Reliefkarten des Geländes, denn nun führen schnurgerade Straßen die steilsten Berge innerhalb der Stadt empor. Durch Vermittlung des Konsulats konnten wir heute eine Goldmine besichtigen. Nach einem Marsch von 200 Metern waagrecht in den Berg, sauste ein Grubenaufzug in zweieinhalb Minuten 700 Meter in die Tiefe. Kein Ohrendruck war zu spüren. In dieser Tiefe merkten wir bei 6 Grad Celsius deutlich die Kühle. Als wir dann bei 1.700 Meter Tiefe angelangt waren, zeigte da Thermometer heiße 40 Grad trotz Ventilation.
Geisterbeschwörung in Belo Horizonte, Minas Gerais
Schweißglänzend luden in dieser Hitze die Arbeiter die weggesprengten Gesteinsmassen in Rollwagen, die von elektrischen Lokomotiven zu den Aufzügen geschoben wurden. In einer im Winkel von 45 Grad schräg nach unten verlaufenden Ader sahen wir silberfarbig glitzernde Plättchen. Das war Gold, kein Silber. Das Gold im Gestein ist mit Arsen vermischt und muss getrennt werden. Die Gesteinsbrocken werden maschinell zerkleinert, gemahlen, mit Wasser vermischt und in Pressen wird der Schlamm vom Gold getrennt. Auf diese Weise gewinnt die in englischen Händen befindliche Mine täglich 15 Kilogramm Gold. Ein Problem ist der sehr giftige Abfall Arsen.
Teilnahme an einer Macumba
Das deutsche Konsulat war heute unser Treffpunkt, denn dort erwartete uns Konsul Kurt R., ein freundlicher und umgänglicher Mann, welcher uns zum Essen einlud. Herr S., ein Österreicher, erkundigte sich über unsere Reise und wollte in lokalen Zeitungen ein Interview mit uns platzieren. Er begleitete uns am Abend zu einer Macumba, einer Art Geisterbeschwörung, welche die Nachkommen der ehemaligen afrikanischen Sklaven zelebrieren und somit als afro-brasilianische Naturreligion bezeichnet werden kann. Die Geisterbeschwörung ist eine mystisch-spirituelle traditionelle Religion, welche christliche und afrikanische Bräuche vermischt. In einem mit Girlanden und Heiligenfiguren geschmückten Raum saßen hinter einer niederen Absperrung die Zuschauer, in der Mehrzahl schwarze Brasilianer. Zu Trommeln und Gesang bewegten sich Frauen und Männer im Takt im Kreis, dann abwechselnd alleine.
In den Musikpausen knieten sie sich nieder und beteten. Die Tanzbewegungen wurden immer ekstatischer und wilder. Dann wurde den Tanzenden Zigarren mit besonderem Inhalt zugesteckt, die sie während des Tanzes rauchten. Verzückt oder mit starr blickenden Augen drehten sie sich. Schweiß strömte von den mit bunten Hemden und Röcken Bekleideten. Die Tänzer begleiteten die afro-brasilianischen Gesänge mit wilden Lauten. Der Chef gab ein Zeichen, nun waren die Tanzenden als Medium bereit, mit den Geistern Kontakt aufzunehmen. Die Zuschauer fragten den Geist über das Medium, welche Medizin oder Mittel sie nehmen sollen, um gesund zu werden oder sie fragten und hofften auf Antwort zu Sorgen, die sie bedrückten.
Besichtigung eines Wasser-Kraftwerks am Rio São Francisco
Der Konsul veranlasste telefonisch unsere Anmeldung zur Besichtigung eines Kraftwerks auf der Route nach Brasília. In Três Marias am Stausee fanden wir Aufnahme in einem schönen, mit Bad, Dusche, WC, Warm- und Kaltwasser eingerichteten Zimmer des Gästehauses. Die Aufenthaltshalle glich im Stil einem englischen Haus in den Tropen. Nach dem Frühstück fuhren wir hinunter zum Staudamm, an dessen Fuß sich das halb vollendete Turbinenhaus befand. Der Rio São Francisco war gestaut und liefert nun Elektrizität für die Stadt Belo Horizonte. Alles ist noch immer im Bau wie vieles in Brasilien.
Gegen 10 Uhr befuhren wir wieder die jetzt gut asphaltierte Straße in Richtung Brasília. Bei einem Zigeuner-Lager und einer primitiven Ziegelstein-Herstellung stoppten wir, um uns diese anzuschauen. Die freundlichen Menschen luden uns in ihre einfachen Hütten ein. Über ein Holzgerüst legten sie eine Zeltplane und fertig war das Haus. Eine andere Familie besaß in ihrem aus dünnen Stämmen und mit Palmblättern gedeckten Haus ein einfaches Bett und einen gemauerten Herd. Auf dem Erdfußboden standen ein Regal mit einigen leeren Konservendosen und ein Gestell mit einem Strohsack als Sofa. Eine solche Armut hatten wir in Brasilien bisher noch nicht gesehen!
In der neu gegründeten brasilianischen Hauptstadt Brasília
Die Hochhäuser bestimmen den Charakter von Brasília, das ja durch die moderne Bauweise überall in der Welt bekannt war. Erst fünf Jahre vor unserem Besuch wurde die Planhauptstadt gegründet. Doch außerhalb des Zentrums entwickelten sich Stadtteile als Elendsviertel mit Blechbuden und Bretterhütten.
Der Gesamteindruck ist durchaus großartig. Die Einzelheiten enttäuschen wegen der nachlässigen Pflege und Wartung. In Ministerien hingen zerfetzte Plastik-Jalousien wie Karnevalsröcke hinter den Stockwerk-hohen Scheiben herab. Der Leiter der Dienststelle Brasília der Deutschen Botschaft in Rio de Janeiro bot uns neben seinem großen, modernen Haus einen sicheren Abstellplatz für unseren VW an. Waschen konnten wir uns in seinen Räumen. Überhaupt waren die deutschen Diplomaten sehr freundlich und hilfsbereit zu uns gewesen.
Führung durch eine Teeplantage
Im Ort Registro besuchten wir die Teeplantage eines Japaners, für den wir einen Brief dabeihatten. Darin wurde er gebeten, uns seinen Teeanbau zu zeigen. Die niedrigen, etwa einen Meter hohen, kugelig geschnittenen Teesträucher standen in geraden Reihen auf dem braunen, vom Unkraut gesäuberten Erdreich. Frauen und Mädchen pflückten die Triebe mit zwei bis drei hellgrünen Blättern ab und warfen sie in ihre auf den Rücken gebundenen Körbe. Er erläuterte uns, dass drei Jahre nach der Pflanzung die zur Verarbeitung wichtigen Triebe gewachsen seien. Sie könnten zehn Monate im Jahr geerntet werden und das bis zu 100 Jahre lang pro Pflanze.
In der Teefabrik stellte er uns seinen Freund Eric V., einen gebürtigen Holländer, vor, der uns die von Nordamerikanern erbaute Teefabrik zeigte. Nach dem Lufttrocknen der aufgekauften Teeblätter zerreiben Spezialmaschinen die Blätter und sortierten sie gleichzeitig nach Größe und Güte. Nach dem Aussieben kamen sie in den Fermentierungsraum und dann in warme Öfen, wo das Wasser entzogen wurde. Über Förderbänder fiel der nun bereits schwarz aussehende Tee in Siebe, die ihn nach Feinheit sortierten. Mittels Durchblasens von Luft wurde der Staub aussortiert und der Tee nochmals klassifiziert.
Reinigung des Bulli
Naturdenkmal Sandsteinformationen bei Vila Velha
Auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße kurvten wir auf 1.000 Meter Meereshöhe hinauf in Richtung Ponta Grossa. In Vila Velha stoppten wir einem Naturdenkmal. Bekleidet mit Regenmantel oder Anorak und Gummistiefeln stiegen wir auf die bizarren Sandsteinfelsen-Gebilde, die plötzlich auf der Hochfläche aufragten. Oben glatt wie abgeschnitten, durch Regen und Wind etwas durchlöchert, fallen senkrechte Wände 30 bis 40 Meter tief ab in schmale, manchmal nur einen Meter breite Spalten. Die Schluchten sehen aus wie Straßenschluchten in Großstädten mit Wolkenkratzern, so quadratisch angeordnet stehen die Felsen. Seltsame rote, braune und gelbe Sandsteinformationen bestaunten wir.
Bei der Rückkehr zu unserem VW-Bulli fanden wir unter den Scheibenwischer geklemmt eine Notiz »Den Welten-Reisenden – aus Brasilien, Grüße aus Vila Velha«, mit mehreren Unterschriften. Über Ponta Grossa und Prudentópolis reisten wir anfangs auf einer breiten und guten Erdstraße, dann führte der Weg in Serpentinen die Serra (Gebirge oder Bergland) hinauf und war plötzlich gepflastert. Das Pflaster türmte sich in solchen Wellen auf der Straßenoberfläche, dass wir gezwungen waren, im 15-km/h-Tempo zu schleichen. Die bergabwärts führende Erdtrasse verwandelte sich innerhalb von fünf Minuten auf der Oberfläche in eine Rutschbahn wie mit Schmierseife!
Abenteuerliche Fahrt zur Donauschwaben-Siedlung Vitoria
Unterwegs begegneten wir einer Frau auf einem von einem Pferd gezogenen, zweirädrigen gummibereiften Wagen, die uns riet, wegen des schlechten Wegzustandes einige Stunden mit der Weiterfahrt zu warten. Trotz des gut gemeinten Rats fuhren wir weiter. Vor der Serra wechselte der weiche Boden in eine steinige Straße und wir konnten dadurch die Hochfläche erreichen. Unverhofft versperrte eine mit einem Vorhängeschloss gesicherte Schranke die Weiterfahrt. Auf das Hupen näherte sich ein kleines Mädchen. Den Schlüssel hatte sie nicht. So viel wir aus ihr herausbrachten, war die Straße wegen der Lastkraftwagen gesperrt, damit diese nicht die Lehmstraße aufwühlen sollten.
Einfache Behausungen angesiedelter Menschen, darunter viele mit deutscher Abstammung, in Rodungsgebieten im Westen von Paraná
Ich startete und preschte durch ein Schlammloch rechts von der Schranke mit Schwung vorbei! Arm aussehende, braunhäutige Menschen grüßten uns und wir unterhielten uns mit ihnen trotz unserer minimalen Sprachkenntnisse. Sie freuten sich zum Abschied über VW-Wimpel und VW-Abzeichen. Nach zehn Kilometern erreichten wir das Dorf Vitoria. Wir fragten uns zu der Donauschwaben-Siedlung durch. In der Gegend sprachen viele Bewohner Deutsch und Serbisch. Die aus Jugoslawien nach Ende des Zweiten Weltkriegs vertriebenen Volksdeutschen fanden hier und in weiteren vier Dörfern im Jahr 1952 eine neue Heimat durch Vermittlung der Schweizer Europahilfe.
Bauernfamilie D. hatte uns zum Mittagessen eingeladen. Die aus Jugoslawien ausgewiesene Familie mit zwei Buben und den Eltern väterlicherseits bewohnten ein einfaches, hölzernes Bauernhaus mit Kuh- und Schweinestall sowie ein Hühnerhaus. Im Verlauf des Gesprächs unterrichtete uns der Bauer, dass der Boden nur noch mit Kunstdünger Ertrag bringen würde. Gerade sei Dünger in Brasilien sehr teuer, so dass sich kleine Bauern diesen nicht mehr kaufen könnten. Weil auf Dauer kein auseichendes Einkommen unter solchen Umständen zu erzielen wäre, auch wegen der niedrigen Preise für Reis und Weizen, hätten viele Bauernfamilien aufgegeben und wären weggezogen. Manche siedelten zurück nach Deutschland.
Bei den Iguazú-Wasserfällen
Am späten Vormittag rollten wir in Guaíra am Rio Paraná ein. Die Stadt liegt an der Grenze zu Paraguay und dem brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Hier fließen die großen Wasserfälle, die Sete Quedas (Sieben Säulen) am Rio Paraná, auch
Saltos del Guaìra genannt, nach Süden. Wir überquerten auf einer schwankenden Hängebrücke und Felsen einige Wasserfälle bis zu einem Fall, der wegen des hohen Wassers nicht zu überqueren war. Der fünf Kilometer breite Strom verengte sich zum Durchfluss auf sieben schmale Durchlässe. Mit unvorstellbarer Wucht stürzte das Wasser in 18 Stufen aus einer Höhe von 30 bis 114 Meter in einen Felskanal, der nur 500 Meter breit ist und strömt als beruhigter Rio Paraná durch Paraguay. Durch ein geplantes Wasserkraftwerk sollte für Brasilien elektrische Energie erzeugt werden.
Für den Bau eines der größten Wasserkraftwerke der Welt, Itaipu Binacional (Zwei Nationen), wurden große Flächen subtropischen Regenwaldes abgeholzt. Noch größere Flächen verschwanden ebenso in den Fluten wie auch die schönen sehenswerten Wasserfälle Sete Quedas. Auf einer Fläche von 1.350 Quadratkilometer bei einer Länge von etwa 170 Kilometer ist der Rio Paraná bis Foz do Iguaçu aufgestaut.
Heute nach dem Mittagessen gingen wir in Richtung Serpentinen hinunter und erblickten einen Teil der mächtigen Iguazú-Wasserfälle. Im Weitergehen konnten wir weitere Fälle erblicken. Hufeisenförmig stürzen die Wassermassen des Flusses Iguazú, eines Nebenflusses des Rio Paraná über vulkanisches Gestein 80 Meter senkrecht in die Tiefe. Manche der durch Felsnasen getrennten Fälle stürzen in zwei Stufen in die schäumende und quirlende Tiefe, in einer Länge von fast drei Kilometer.
Überqueren der Flüsse mit typischen Fähren
Durch die in den vergangenen Wochen starken Regenfälle führte der Fluss sehr viel braunes Wasser. Ein Brasilianer ruderte uns in einem Holzboot etwa 300 Meter oberhalb eines Teils der Fälle quer über das schnell strömende Wasser zu einer aus dem Wasser ragenden Felsengruppe. Dort stiegen wir aus und gingen über ausgelegte Bretter auf die andere Seite der im Strom stehenden Steine. Dort wartete ein anderes, angebundenes Boot, das der Ruderer geschickt an den Rand von anderen Felsen steuerte. Nur knapp 50 Meter von Absturz befanden wir uns.
Direkt neben uns brauste von drei Seiten braun und weiß das schäumende Wasser in die Tiefe. Es schien, als ob die Wasser kochen würden. Ein gewaltiges Erlebnis für uns! Erst nachdem unser geschickter Ruderer uns wieder an Land gebracht hatte, erkannten wir, in welche Situation wir uns begeben hatten.
Heute, am 129. Reisetag, suchte Rüdiger das Zollamt und den paraguayischen Konsul auf, um die Einreisepapiere nach Paraguay für uns und das Auto zu klären. Ernst und ich brachten unser Reisemobil in eine inoffizielle VW-Werkstatt, um klären zu lassen, warum unser Auto beim Fahren manchmal stottert. Und es ging weiter …
Unterwegs-Sein
Siegfried, geboren 1938 in Stuttgart, wohnt seit 1962 in Waiblingen, Baden-Württemberg. Gearbeitet hat er von 1967 bis 1998 als kaufmännischer Fachreferent im Bereich Export und 20 Jahre als Mitglied des Betriebsrats bei der damaligen Daimler-Benz AG (heute Daimler AG) in der Zentrale in Stuttgart. Zur dzg kam er durch einen Beitrag am 01.07.1972 in der Zeitung Stuttgarter Nachrichten (StN) über die Weltreise von Ludmilla Tütting und Dieter Knauss und einen Hinweis am 22.05.1974 in der StN über Ludmillas Broschüre »Traumstraße der Welt von Alaska nach Kap Hoorn«.
Siegfried damals als Koch in der Bulli-Küche
Sein Motto und das seiner Freunde waren Land, Leute, Gesellschaft und Kultur kennenzulernen, er wollte die Berichte über die untergegangenen Inka-, Maya- und Azteken-Reiche am Ort ihres früheren Daseins erleben. Sie reisten mit dem VW-Bulli, mit Bus, Bahn, Schiff, Flugzeug, Einbaum, Motorboot, Maultier und Esel.
Nach der Rückkehr von der großen Reise baute er einen VW LT 28 D als Reisemobil aus, mit dem er mit Frau und Kindern europäische Länder erlebte. Mit seiner zweiten Frau reisten sie in fernere Ländern vorwiegend mit gemieteten Reisemobilen. Zu seinen bereisten Ländern gehörten außer der beschriebenen Kundfahrt Rumänien, die USA, Niederlande, Jugoslawien, Griechenland, Frankreich, Spanien, Portugal, Singapur, Neuseeland, Thailand (Bangkok), Australien, Indonesien (Insel Bali), Argentinien, Chile, Ägypten, Alaska, Britisch Columbia (Kanada) und die Bahamas-Inseln.